· 

Aus der Mitte entspringt ein Bass

So hatte er sich das wohl vorgestellt: Stanley Clarke lehnte mit seinem Kontrabass an einem Hocker und ließ die Puppen tanzen. Wobei die Energiebündel links und rechts des weltberühmten Bassisten derart mächtig auf der Bühne wirbelten, dass der Konzertabend mit seiner Band in der Oldenburger Kulturetage an einen Hochgeschwindigkeitswettbewerb erinnerte.

 

Wer mit dem Dreigestirn Miles-Monk-Mingus gespielt hat, könnte wohl gemächlich auf den Ruhestand hinarbeiten. Stanley Clarke indes hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzugeben. „Als ich mit 18 nach New York ging, hatte ich das Glück, dass alle Großen dort waren. Sie waren darauf bedacht, dass die Jungen etwas von ihnen lernten. Das halte ich genauso“, erzählte er einmal.

 

Die Mitglieder seines Sextetts erwiesen sich diesmal als sechs Richtige; die Zusatzzahl steuerte das ebenfalls bestens gestimmte Publikum bei. Für den in Ehren ergrauten 67-Jährigen scheinen Musiker Anfang, Mitte 20 ein echter Jungbrunnen zu sein. Vor 14 Jahren gründete er mit Ehefrau Sofia die „Stanley Clarke Foundation“, die jedes Jahr Stipendien an talentierte Musiker vergibt.

 

Im Geschäftsalltag des Jazz’ muss Clarke nicht mehr überall dabeisein. Dafür ist er als Komponist und Arrangeur präsent: Zu über 70 Filmen hat er den Sound geliefert, zudem er ist bestens vernetzt. 

 

Mit dem Blick aus der Vogelperspektive hat Clarke eine gleichermaßen spannende wie ungewöhnliche Formation brillanter Solisten zusammengestellt: Cameron Graves und Beka Gochiashvili an den Tasteninstrumenten, Shariq Tucker am Schlagzeug und Evan Garr an der Violine sowie der völlig entfesselte Nader Salar an den Tablas. Die bemerkenswerte Mischung ergab Sinn, weil das Ganze mehr war als die Summe seiner Teile.

 

Die Einflüsse, die er seit den frühen 70er Jahren mit Größen wie Art Blakey, Gil Evans, Stan Getz, Al Di Meola und Horace Silver aufnahm, fließen geradewegs in seine Mitmusiker ein. Meisterschaften erwarb Clarke dabei sowohl auf dem akustischen wie elektrischen Bass.

 

Sein Soloalbum „School Days“ wird allgemein zu den besten Bass-Alben der Jazzrock-Ära gezählt. 2011 erhielt Clarke den Grammy für das beste zeitgenössische Jazz-Album. Aber das nur am Rande.

 

Text und Fotos: oli/anBeat.com

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0