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Der Tag, an dem Claudia Doren versenkt wurde

Die britische Invasion auf deutschem Hoheitsgebiet fand 1972 statt. Erstes Opfer war die damals bekannte Fernsehansagerin Claudia Doren, die während der Ankündigung einer neuartigen Unterhaltungssendung vor laufender Kamera von zwei Froschmännern entführt und in einen See gezerrt wurde. Shocking!

 

 

 

Dabei schien die Intension zunächst freundlich, wurde das auszustrahlende Programm doch extra für den WDR in deutscher Sprache produziert („Geschrieben und gespielt von sechs jungen Engländern. Die Show wird 45 Minuten dauern und in Farbe gefilmt. Ihr Titel ist: Monty Python’s Fliegender Zirkus“).

 

Als Claudia Doren schließlich im See versenkt war, übernahmen die Anarchisten endgültig das Kommando über das deutsche Fernsehen: „Und jetzt etwas ganz anderes!“, kündigte der auftretende Mann mit den zwei Becken an, bevor er damit den beiden vor ihm stehenden Damen an die Backen gab. Zur Beruhigung der deutschen Seele folgte etwas, womit man sich hierzulande auskannte: Marschmusik!

 

Die erste von zwei speziellen Folgen des „Monty Python’s Flying Circus“, der erstmals vor 50 Jahren, am 5. Oktober 1969, auf BBC Two ausgestrahlt wurde, sprengte alle Regeln deutschen Geschmacks. Die Menschen zwischen der Waterkant und den Alpen lachten über Heidi Kabels „Tratsch im Treppenhaus“, „Babba“ Hesselbach oder Beppo Brehms „Komödienstadel“.

 

Männer in skurrilen Kostümen, marodierende Horden von Links-Abbiegeschildern oder das „Ministerium für alberne Gangarten“ kamen darin nicht vor. Selbst der Lieblingsfeind im Zweiten Weltkrieg – das britische Militär – war für die Deutschen nicht wiederzuerkennen: Rekruten wurden mit frischem Obst angegriffen. Grotesk!

 

„Monty Python“ bestand aus Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin, die alle mehr oder weniger erfolgreich an den Unis Cambridge oder Oxford studierten und im Schreiben und Darstellen von Sketchen Erfahrungen sammelten. Alle fünf hatten für die BBC gearbeitet, als Cleese Anfang 1969 eine Zusammenarbeit vorschlug. Die Gruppenbildung beim Skript-Schreiben blieb während der ganzen Zeit bestehen. Der US-Amerikaner Gilliam spielte kleinere Rollen, meist ohne Text.

 

Es heißt, der Leiter der Abteilung „Komödie“ der BBC habe darauf bestanden, dass der Titel der Serie das Wort „Circus“ enthalten müsse, weil die Komiker über die Flure des altehrwürdigen Senders zogen wie eine Zirkustruppe. Um beim Stammpublikum aber keine falschen Erwartungen zu wecken, wurde daraus „Flying Circus“.

 

Die sechs Komödianten waren politisch so inkorrekt, dass es den Leuten die Sprache verschlug. In Parodien und Persiflagen wurde schonungslos alles aufs Korn genommen, was die britische Gesellschaft und Medienöffentlichkeit der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre prägte und bewegte. Staatliche und gesellschaftliche Autoritäten wie Polizisten, Politiker, Soldaten, Geistliche, Wissenschaftler oder Richter wurden mit Hingabe demontiert und lächerlich gemacht. Nicht zu vergessen der Beitrag von der 25. Blödel-Olympiade mit dem 100-Meter-Lauf der Männer ohne Orientierungssinn und dem 200 Meter Brust der Nichtschwimmer. „Zum Bergen der Leichen schalten wir noch einmal zurück in die Schwimmhalle.“

 

 

Die Serie gilt technisch wie inhaltlich als bahnbrechend. Vor allem der Verzicht auf eine Pointe im Anschluss an eine besonders absurde Szene war revolutionär. Moderator und Talententdecker Alfred Biolek brachte die Show 1971 über den Ärmelkanal nach Deutschland. Da der englischsprachige Humor als unübersetzbar galt, wurde sie nur von den dritten Programmen im Originalton mit deutschen Untertiteln ausgestrahlt – bis 1972 die beiden speziellen Folgen produziert waren. TV-Regisseur Michael Pfleghar nahm später diese Spielart auf und konzipierte „Klimbim“, allerdings mit Revue-Elementen und nackter Haut, aber ohne die intellektuelle Klasse der Monty Python’s.

 

Von 1969 bis 1974 drehte die Gruppe für die BBC 45 Folgen – drei Staffeln mit je 13 Folgen, eine Staffel mit sechs Folgen. Das Beste aus den ersten beiden der vier Staffeln wurde in dem Film „Die wunderbare Welt der Schwerkraft“ von 1971 zusammengefasst. Darin finden sich der „It’s“-Man, die Gumbys, die Pepperpots, der hustende Ken Shabby und viele andere Klassiker. In den Folgejahren drehte die Truppe einige Filme fürs Kino: „Monty Python and the Holy Grail“ (1975/Die Ritter der Kokosnuss), „Life of Brian“ (1979/Das Leben des Brian) und „The Meaning of Life“ (1983/Der Sinn des Lebens).

 

Und jetzt zu etwas vollkommen anderem! (And now for something completely different!) – so lautete immer wieder die Überleitung zum nächsten Sketch. Dieser Satz ist längst in den Sprachgebrauch eingezogen.

 

 

Und auch der letzte Versöhnungsversuch der Briten mit den Deutschen musste scheitern. Beim „Fußballspiel der Philosophen“, gedreht im Stadion an der Grünwalder Straße in München, treten die deutschen Denker gegen die griechischen Theoretiker an. In der 90. Minute ruft Archimedes „Heureka!“ und animiert sein Team, den Fußball zu benutzen. Sokrates verwandelt eine Flanke – wie sollte es anders sein – mit dem Kopf zum entscheidenden Tor. Die Wiederholung zeigt aber, dass das 0:1 in letzter Sekunde gegen die Deutschen aus einer Abseitsposition heraus erzielt wurde.

 

So konnte das ja nichts werden!

 

 

Text: oli/anbeat.com

 

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