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Tendenz zum Kindlich-Märchenhaften

Bei Miles Davis eben noch mit herbem Jazzrock unterwegs, kam Armando Anthony „Chick“ Corea auf dem nächsten Album mit elektronischem Piano um die Ecke. Der Pianist war ein legendäres Jazz-„Chamäleon“ – ein Nachruf.

 

 

Am Ende hat Chick Corea nichts mehr geholfen – nicht seine musikalische Genialität, seine experimentelle Spiel- und Lebensfreude, nicht seine Spiritualität, aber auch nicht der Glaube an überirdische Mächte oderzweifelhafte Sektenführer und auch keine Medizin. Der begnadete US-Jazzpianist ist am 9. Februar im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer seltenen Krebserkrankung in Florida gestorben, wie erst jetzt bekannt wurde. Der große deutsche Jazz-Gelehrte Joachim-Ernst Berendt würdigte Corea einst als „verbindlicher Musiker – mit einer Tendenz zum Kindlich-Märchenhaften und zu klarer Rhythmik“.

 

Der 1941 in Chelsea, Massachusetts geborene Armando Anthony „Chick“ Corea war ein Chamäleon des Jazz, der auf seine virtuose Art die Idee dieser Musikrichtung verkörperte. 1966 nahm er sein erstes Soloalbum auf: „Tones for Joan’s Bones“. Zwei Jahre später veröffentlichte er gemeinsam mit Miroslav Vitouš und Roy Haynes „Now He Sings, Now He Sobs“, vom US-Jazzmagazin „Down Beat“ mit 4,5 von 5 Sternen geadelt.

 

Im Jahr 1968 war Corea mehr als nur Ersatzmann für Herbie Hancock in der Allstar-Band von Miles Davis. Er war an drei bemerkenswerten Alben der Trompeter-Legende beteiligt und hatte sich somit ewigen Ruhm erworben. Der Phase der improvisierenden Musik folgte das Zeitalter der Fusionen.

 

 

Erlaubt war, was neu war und den Musikern gefiel, dabei nicht immer den Massengeschmack treffen musste und doch viele begeisterte. Coreas Verdienst ist auch deshalb so groß, weil der Pianist musikalische Fesseln sprengte. Sein Album „Return To Forever“ wurde 1972 beim von Manfred Eicher, Manfred Scheffner und Karl Egger gegründeten Münchener Label ECM veröffentlicht.

 

Das „Chamäleon“, eben noch bei Miles Davis mit herbem Jazzrock unterwegs, man denke an „Bitches Brew“, und parallel mit einer Art Kammerjazz mit Gary Burton, kam auf „Return To Forever“ mit dem elektronischen Piano um die Ecke. Dort spielte er wie der Teufel Soli, die mit Airto Moreiras Perkussion unterlegt wurden und zu denen die Brasilianerin Flora Purim sang. Derweil spielte der gerade 20-jährige Stanley Clarke auf der A-Seite des Albums elektrischen Bass und zupfte auf der B-Seite Kontrabass. Auch nach fast 50 Jahren eine atemberaubende Mischung. Wer 1972 das Glück hatte, das Chick-Corea-Quartet live im Rolf-Liebermann-Studio in Hamburg zu hören, wird es nie vergessen. 

 

 

In der Mitte seines Lebens folgte die Ikone des Jazzrock selbst einem Guru. Sein Bekenntnis zu Scientology-Gründer L. Ron Hubbard kam bei vielen Fans und Musikern nicht gut an und führte weltweit zu Absagen durch Konzertveranstalter. Über seinen Tod hinaus wird Chick Corea indes als Komponist, Innovator und Pianist unvergessen bleiben.

 

Text: oli/anbeat.com

Fotos: Imago

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