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Vom Meister zum Schüler

Der Urgroßvater als Leitbild und Reibepunkt: Der Dramatiker Gerhart Hauptmann starb vor 75 Jahren. Er verfasste das große deutsche Sozialdrama "Die Weber" und erhielt 1912 den Nobelpreis für Literatur. Familiäre und künstlerische Spuren beschreitet Urenkel Emanuel Hauptmann, der die Werke neu bearbeitet.

 

 

„Wenn ich Dir, lieber Vater, dieses Drama zuschreibe, so geschieht es aus Gefühlen heraus, die Du kennst und die an dieser Stelle zu zerlegen keine Nötigung besteht.“

 

Gerhart Hauptmanns weltberühmtes Sozialdrama „Die Weber“ von 1892 war dem Vater Robert gewidmet, unter Bezug auf die Erzählungen des Großvaters, dem geknechteten schlesischen Taglöhner hinterm Webstuhl. Das Stück behandelt den Weberaufstand von 1844 und gilt im Naturalismus als epochemachend. Dass es als „Umsturzvorlage“ kurzzeitig verboten wurde, verhalf dem Schriftsteller zu früher Aufmerksamkeit und Anerkennung.

 

1912 wurde der damals 50-Jährige mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet und galt seither auch im Ausland als repräsentativer Dichter Deutschlands. Vor 75 Jahren, am 6. Juni 1946, ist Hauptmann im schlesischen Agnetendorf gestorben.

 

Die intensive Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte liegt den Hauptmanns seit jeher im Blut. „Der Name Gerhart Hauptmann war bei uns immer präsent. Ich bin damit aufgewachsen“, sagt dessen Urenkel Emanuel Hauptmann. Als er 1966 geboren wurde, war der Patriarch bereits 20 Jahre tot. Hinterlassen hatte er ihm den berühmten Nachnamen und der Welt ein Gesamtwerk, das sich vom Naturalismus zur Neuromantik wandelte und später vom Nicht- Naturalistischen zum Ausgangspunkt zurückkehrte.

 

„Sobald jemand in einer Sache Meister geworden ist, sollte er in einer neuen Sache Schüler werden.“

 

In die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinein wurde Gerhart Hauptmann an westdeutschen Bühnen immer wieder inszeniert, wobei sich vor allem „Der Biberpelz“ und „Die Ratten“ über Zuspruch freuen konnten. Später erkannte man Hauptmanns opportunistische Haltung im Nationalsozialismus, der zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 1942 Festaufführung und Ehrungen über sich ergehen ließ. In der DDR lebte Hauptmanns literarisches Ansehen bis zum Ende weiter. In Erkner wurde 1987 ein eigenes Museum errichtet. Gedenkstätten befinden sich auf Hiddensee und im sächsischen Hohenhaus.

 

Aufgewachsen in einem sehr künstlerischen, mit Musik erfüllten Haushalt, waren die Einflüsse durch den Urahn vorgegeben und bestimmten Emanuel Hauptmanns Weg in die Musik nachhaltig. Im Alter von sechs Jahren schenkten ihm die Eltern ein Kinderschlagzeug, von da an war es um ihn geschehen. Auch sein künstlerisches Œuvre kann sich sehen lassen. Immer wieder hat sich Emanuel einzelne Werke vorgenommen und für Live- Konzertlesungen und Hör­bücher mit seiner Jazzformation Trionauts+ musikalisch bearbeitet. „Durch seine Herkunft spüre ich eine besondere Verbundenheit zu Schlesien und Polen“, sagt er. Aktuell in Planung ist die Novelle „Der Ketzer von Soana“ (1918) als deutsch-polnische Hörbuch-Produktion.

 

Die Familiengeschichte der Hauptmanns ist eine weit verzweigte und bemerkenswerte, die der der Familie Mann kaum nachsteht. Emanuel Hauptmann wurde 1966 als Sohn der Sängerin und Texterin Anja (geboren 1942) geboren. Sie ist Tochter von Benvenuto Hauptmann (1900-1965), Diplomat in Stresemanns Auswärtigem Amt und Dramaturg unter Heinz Hilpert am Josefstadt-Theater in Wien. Er war Gerharts vierter Sohn aus dessen zweiter Ehe mit Margarete, eine friedenspolitisch engagierte deutsche Schauspielerin. Am 18. September 1904 heiratete sie Gerhart, nachdem dieser von seiner ersten Frau Marie (1860-1914) geschieden worden war. Mit ihr hatte Gerhart die drei Söhne Ivo (1886-1973), Maler und Mitbegründer der Künstlergruppe Freie Secession und Hamburgische Sezession sowie Eckart (1887-1980) und Klaus (1889-1967), beides Kaufleute.

 

Text: oli/anbeat.com

 

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